Im ersten Vortrag (Dr. J. Schellong) werden die Ergebnisse der INVITE-Studie vorgestellt, die sich mit den Behandlungs- und Beratungspräferenzen bei psychischen Symptomen von Müttern befasst. Dabei werden mögliche Barrieren einer häufig nicht erfolgten Inanspruchnahme von Hilfe diskutiert. Die Studie liefert somit wichtige Erkenntnisse zu den Wünschen und Schwierigkeiten deutscher Mütter und Familien in der Peripartalzeit.
Der zweite Vortrag (M. Kramuschke) stellt Ergebnisse zur Validierung der deutschen Version der „Breastfeeding Self-Efficacy Scale-Short Form“ (BSES-SF; 14 Items; Dennis, 2003) vor. Der Fragebogen zur Erfassung der Stillselbstwirksamkeit dient zur Vorhersage des Stillverhaltens. Eine erhöhte mütterliche Stillselbstwirksamkeit nach der Geburt geht in früheren Studien auch mit einem höheren ausschließlichen Stillverhalten sechs Wochen nach der Geburt einher. Die Kurzform des englischsprachigen Fragebogens deckt ein unidimensionales Konstrukt ab. Die Ergebnisse aus einer konfirmatorischen Faktorenanalyse bestätigen die unidimensionale Struktur jedoch nicht für die deutsche Version. Die psychometrischen Maße der deutschen Übersetzung werden im Vortrag diskutiert.
Im Rahmen des dritten Vortrags des Symposiums (E. Wild, R. Oelkers-Ax) wird die Fallgeschichte einer mütterlichen Bindungsstörung mit Prozessmonitoring-Daten nach postpartaler Familienaufnahme präsentiert. Dabei wird auf einen systemischen Lösungsansatz in einer tagesklinischen familienpsychiatrischen Therapie eingegangen.
08:30 Uhr
Behandlungs- und Beratungspräferenzen bei psychischen Symptomen von Müttern: die INVITE-Studie
L. Seefeld (Dresden, DE)
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Autor:innen:
L. Seefeld (Dresden, DE)
X. Dienel (DE)
V. Jehn (DE)
V. Zieß (DE)
A. Mojahed (DE)
S. Garthus-Niegel (DE)
J. Schellong (Dresden, DE)
Hintergrund: Viele Frauen, die unter psychischen Symptomen nach der Geburt leiden, nehmen keine professionelle Hilfe in Anspruch und erhalten somit keine angemessene Behandlung. Bisherige Studien konzentrieren sich vor allem auf die Erforschung der Zufriedenheit mit der erhaltenen Behandlung unter Frauen, die sich Hilfe gesucht haben, und Studien zu Wünschen und Bedürfnissen junger Mütter aus der breiten Gesellschaft fehlen größtenteils.
Methode: Im Rahmen der INVITE-Studie wurden mehr als 4000 Frauen aus Dresden 3-4 Monate nach der Geburt ihres Kindes mittels Telefoninterview zu ihrer Geburt, physischen und psychischen Gesundheit, Behandlungs- und Beratungspräferenzen sowie -barrieren bei Symptomen einer postpartalen Depression, Angststörung oder (geburtsbezogenen) posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) befragt.
Ergebnisse: Im Vortrag werden die Ergebnisse verschiedener Varianzanalysen vorgestellt, die die Beratungs- und Behandlungspräferenzen sowie -barrieren und die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme von Hilfe von Frauen mit Symptomen einer postpartalen Depression, Angststörung oder (geburtsbezogenen) PTBS mit Frauen ohne diese Symptomatik vergleichen. Zusätzlich wird auf die Bedeutung des Schweregrads der Symptomatik für die Inanspruchnahme von Hilfe eingegangen.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Behandlungspräferenzen und -barrieren von Müttern mit subklinischen, klinischen sowie komorbiden Störungsbildern in der Postpartalzeit. Es wird deutlich, dass Frauen sich je nach Symptomausprägung in ihren Bedürfnissen unterscheiden, was Implikationen für die angemessene Überweisung und Behandlung von Patientinnen als auch die Anpassung bereits existierender Hilfsstrukturen birgt.
09:00 Uhr
Erfassung der postpartalen Stillselbstwirksamkeit: eine Fragebogenvalidierung
M. Kramuschke (Leipzig, DE)
Details anzeigen
Autor:innen:
M. Kramuschke (Leipzig, DE)
K. Linde (Leipzig, DE)
F. Lehnig (Leipzig, DE)
M. Nagl (Leipzig, DE)
A. Kersting (Leipzig, DE)
Einleitung: Die erlebte Selbstwirksamkeit beim Stillen bietet einen Ansatzpunkt, das Stillen von Müttern durch effektive Interventionen zu unterstützen. Es existiert jedoch kein validiertes deutschsprachiges Instrument zur Erfassung der Stillselbstwirksamkeit. Ziel dieser Studie war es, eine deutsche Übersetzung der englischen Breastfeeding Self-Efficacy Scale-Short Form (BSES-SF; Dennis 2003) zu validieren.
Methodik: Die Stillselbstwirksamkeit wurde mittels der BSES-SF (14 Items) bei Müttern drei Monate (T3; N = 144) und sechs Monate (T4; N = 100) nach der Entbindung erfasst. Neben der Stillselbstwirksamkeit wurden weitere gesundheitsbezogene Konstrukte (z. B. Selbstwert-Gefühl [SES], soziale Unterstützung [BSSS], Depression [EPDS], Stress (PSS-10)) erhoben, um eine Validierung vorzunehmen.
Ergebnisse/Diskussion: Mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse konnte eine gute Passung zwischen dem ursprünglichen theoretischen Modell der Stillselbstwirksamkeit und den vorhandenen Daten nur unter Berücksichtigung von Fehlerkovarianzen nachgewiesen werden (CFI = .95, SRMR = .057, RMSEA = .077). Die eindimensionale Struktur des englischen Original-Fragebogens konnte somit nicht repliziert werden. Es liegt jedoch eine exzellente interne Konsistenz vor (Cronbach’s α = .92). Die konvergente und divergente Validität der BSES-SF wurden im Wesentlichen bestätigt. Die Höhe der Stillselbstwirksamkeit drei Monate nach der Geburt war signifikant mit der Länge des ausschließlichen Stillens sechs Monate nach der Geburt korreliert (r = .330), was zusätzlich auf eine prädiktive Validität der BSES-SF schließen lässt.
Schlussfolgerung: Die Übersetzung und Validierung der BSES-SF ermöglicht erstmalig die Erfassung der Stillselbstwirksamkeit im deutschsprachigen Raum. Eine weitere Validierungsstudie ist erforderlich, um die faktorielle Validität erneut zu prüfen. Eine valide Erfassung der Stillselbstwirksamkeit ist von Bedeutung, um stillende Mütter gezielter unterstützen zu können.
09:30 Uhr
„Es liegt nicht an mir“ – tagesklinische familienpsychiatrische Therapie als systemischer Lösungsansatz bei mütterlicher Bindungsstörung
E. Wild (Neckargemünd, DE)
R. Oelkers-Ax (Neckargemünd, DE)
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Autor:innen:
E. Wild (Neckargemünd, DE)
R. Oelkers-Ax (Neckargemünd, DE)
Wir berichten über die integrierte Therapie einer Familie mit einer 2j. Tochter im Familientherapeutischen Zentrum (FaTZ), einer familienpsychiatrischen Akut-Tagesklinik für Eltern und Kinder mit psychischen Erkrankungen. Mit der Krankenkasse hatten wir einen Komplexsatz für eine interaktionsfokussierte Behandlung im Mehrpersonensetting über neun Wochen verhandelt.
Die Mutter kam mit ausgeprägten psychiatrischen Symptomen, sah jedoch nicht sich und ihre Erkrankung im Vordergrund, sondern das Verhalten der Tochter, die in den ersten Lebensjahren viel geschrien hatte. Wir erarbeiteten mit der Familie ein multifaktorielles und zirkuläres Störungsbild, wobei wir die Erlebnisse der Geburt, Temperament und Reizverarbeitung des Kindes, die frühe Regulationsstörung sowie deren Auswirkung auf Gefühlsleben, Verhalten und Interaktion der Eltern betrachteten. In Folge der erlebten Hilflosigkeit durch das Schreien der Tochter zog sich die Mutter zurück, was sie wiederum an der gewünschten Interaktion mit der Tochter hinderte. Wir arbeiteten ressourcenorientiert mit systemischer Fallkonzeption, wobei das multimodale Therapiekonzept nicht auf die Störungen bei Eltern und Kind fokussiert, sondern v.a. gelingende Momente in der Interaktion zu identifizieren und zu generalisieren sucht. In Elterngesprächen übten wir mit beiden Eltern eine Verbesserung der Mentalisierungsfähigkeit für das Kind und sie selbst. Außerdem unterstützten wir die Kooperation auf Elternebene und Verhandlungen darüber, was jeder Elternteil vom anderen als hilfreich erlebte. Den gesamten Therapieprozess begleiteten wir mit Prozessmonitoring und -feedback über das Synergetische Navigationssystem (SNS), was den Eltern half, ihre Fortschritte zu erkennen, wirksamer miteinander zu kommunizieren und zu Experten ihrer eigenen Entwicklung zu werden. Die Fallgeschichte der Familie wird anhand der Prozessmonitoringdaten (Selbsteinschätzungen zu ca. 60 Items mit täglicher Erhebung) vorgestellt und diskutiert.