Im höheren Lebensalter gehen affektive Symptome einer Depression wie Niedergestimmtheit, Freudlosigkeit, Antriebs- und Interessensverlust häufig auch mit körperlichen Einschränkungen einher. Diese führen zu erheblichen Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens und der Lebensqualität der PatientInnen.
Die rein pharmakologische Behandlung der Altersdepression ist in ihrer Wirksamkeit und Effizienz beschränkt, weshalb adjuvante Therapieansätze mit vorteilhaften Nebenwirkungs- und Kosten-Nutzen-Profilen dringend benötigt werden. Bei jüngeren PatientInnen zeigen sich sport- und bewegungstherapeutische Ansätze sowohl in der Prävention als auch der Behandlung von Depressionen als sehr wirksam und effizient. Als neurobiologische Wirkmechanismen der antidepressiven Wirkung körperlichen Trainings wurden u. a. erhöhte Expressionen der Tryptophanhydroxylase, einem zentralen Enzym bei der Serotoninsynthese, sowie des neuroprotektiven bzw. -regenerativen BDNFs beschrieben. Inwiefern sport- und bewegungstherapeutische Ansätze auch bei Altersdepression durchführbar und wirksam sind, ist bislang nicht ausreichend untersucht.
In diesem Symposium werden zentrale Aspekte auf dem Weg hin zu einer „Gerontopsychiatrie in Bewegung“ aus multidisziplinärer Sicht dargestellt und ihre klinischen Effekte diskutiert. Ausgehend von einem Beitrag zu der Weiterentwicklung des geriatrisch-gerontopsychiatrischen Assessments wird eine Sensor-basierte Erfassung der körperlicher (In)Aktivität bei 80 PatientInnen mit Altersdepression vorgestellt. Im nachfolgenden Beitrag werden Ergebnisse einer RCT zu den Effekten eines aeroben Ausdauertrainings auf die depressiven Symptome von insgesamt 100 PatientInnen mit Altersdepression vorgestellt und diskutiert. Der abschließende Beitrag zeigt zentrale Befunde zur Durchführbarkeit und Wirksamkeit verschiedener Exergaming-Interventionen (d.h. motorisch-kognitiver Trainings) bei älteren PatientInnen mit affektiven / depressiven Erkrankungen.
17:15 Uhr
Das geriatrisch-gerontopsychiatrische Assessment – Ergebnisse einer klinischen Implementierungsstudie
V. Stypa (Köln, DE)
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Autor:innen:
V. Stypa (Köln, DE)
I. Günter (Köln, DE)
R. Trumpf (Köln, DE)
R. Depiereux (Köln, DE)
T. Fleiner (Köln, DE)
P. Häussermann (Köln, DE)
Hintergrund: Die Effekte eines umfassenden geriatrischen Assessments in der Behandlung älterer Patient*innen sind vielfach belegt. Dennoch wird dieses in der gerontopsychiatrischen Akutversorgung oftmals nicht oder nur unstrukturiert umgesetzt.
Methode: In der Abteilung für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie der LVR-Klinik Köln wurde ein geriatrisch-gerontopsychiatrisches Assessment (GGA) in Anlehnung an die S1-Leitlinie „Geriatrisches Assessment der Stufe 2“ entwickelt und in dem Klinikinformationssystem implementiert. Das GGA wurde auf zwei offen und zwei geschützt geführten Stationen eingeführt und hinsichtlich der klinischen Anwendbarkeit untersucht. Basierend auf einer retrospektiven Erfassung im Zeitraum 01.02. bis 01.04.2023 wurde die Vollständigkeit des GGA analysiert. Zudem wurde die Vollständigkeit zwischen offenen und geschützten Stationssettings verglichen.
Ergebnisse: In die Analyse wurde die GGA-Dokumentation von 130 Patient*innen einbezogen, von denen 68 (Durchschnittsalter: 76 Jahre, 38 weiblich) auf geschützt geführten Stationen und 62 (Durchschnittsalter: 76 Jahre, 43 weiblich) auf offen geführten Stationen aufgenommen wurden. Sowohl für die GGA-Erhebungen zur Aufnahme als auch zur Entlassung zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der durchschnittlichen Vollständigkeit zwischen geschützten und offenen Stationssettings: Aufnahme: n=130; geschützt=70%, offen=80% vollständig; p < .001; Entlassung: n=68; geschützt=62%, offen=77% vollständig; p=.017.
Diskussion: Auch wenn das GGA in beiden untersuchten Stationssettings durchgeführt wird, deuten die Ergebnisse insbesondere im geschützten Bereich auf Schwierigkeiten in der klinischen Anwendbarkeit hin. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob eine weitere Anpassung des GGA erforderlich ist, um dieses als Grundlage und Strukturierung für eine individuelle Behandlungsplanung, -durchführung und -erfolgskontrolle in der vollstationären gerontopsychiatrischen Versorgung einsetzen zu können.
17:37 Uhr
Körperliche Aktivität bei Depression im Alter: Ergebnisse einer sensorbasierten Erhebung in der Gerontopsychiatrie
R. Trumpf (Köln, DE)
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Autor:innen:
R. Trumpf (Köln, DE)
L. Schulte (Köln, DE)
K. Becker (Köln, DE)
T. Schnorr (Köln, DE)
T. Fleiner (Köln, DE)
P. Häussermann (Köln, DE)
Einführung: Körperliche Aktivität gilt als ein Kernaspekt in der Entstehung und Behandlung von Patient*innen mit Depression im Alter. Inaktive Verhaltensweisen, wie langes Sitzen ohne Unterbrechung, gehen mit schwereren depressiven Symptomen einher. Ziel dieser Studie ist es, die körperliche (In)Aktivität bei Patient*innen in der Gerontopsychiatrie zu analysieren sowie den Zusammenhang von körperlicher (In)Aktivität und dem Schweregrad der depressiven Symptome zu untersuchen.
Methode: Für diese Querschnittsanalyse wurden die Baseline-Daten einer monozentrischen RCT genutzt. Die Erfassung der körperlichen (In)Aktivität erfolgte mit einem am unteren Rücken der Patient*innen befestigten Bewegungssensor (Dynaport Move Monitor+, NL) über 48h. Dieser ermöglicht eine zuverlässige Erfassung von Körperpositionen (Sitzen und Liegen) und Aktivitätsformen (Gehen). Die Schwere der depressiven Symptome wurden anhand des Beck Depressions Inventar (BDI II) durch die Patient*innen selbst eingeschätzt und anhand der Hamilton-Rating-Skala (HAMD) durch das Behandler*innen-Team beurteilt.
Ergebnisse/Diskussion: Bisher wurde die körperliche (In)Aktivität von 67 Patient*innen (Durchschnittsalter: 76 Jahre, 36 weiblich, Median BDI II-Score: 24, Median HAMD-Score: 22) erfasst. Die Patient*innen gingen durchschnittlich 5702 ± 4141 Schritte pro Tag. Trotz der vergleichsweise hohen Schrittzahl pro Tag wurden 82% des Tages inaktiv (M±SD: 19,7 ± 5,2 Stunden) verbracht, 7,1 ± 2,4 Stunden sitzend und 12,6 ± 2,9 Stunden liegend. Die Analyse der Sitzphasen ohne Unterbrechung sowie des Zusammenhanges von körperlicher (In)Aktivität und depressiver Symptomatik werden mit Daten der Gesamtstichprobe (N=80) in dem Vortrag adressiert.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Patient*innen mit Depression in der Gerontopsychiatrie den Tag überwiegend körperlich inaktiv verbringen und zeigen den dringenden Bedarf an innovativen, strukturierten Aktivierungsangeboten im stationären Setting.
17:59 Uhr
Effekte von Ausdauertraining bei Depression im Alter: Ergebnisse einer 1-Jahres RCT
L. Schulte (Köln, DE)
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Autor:innen:
L. Schulte (Köln, DE)
R. Trumpf (Köln, DE)
D. Wirtz (Köln, DE)
T. Schnorr (Köln, DE)
T. Fleiner (Köln, DE)
P. Häussermann (Köln, DE)
Fragestellung:
Ein strukturiertes aerobes Ausdauertraining kann die depressive Symptomatik bei Patient*innen mit Depression verbessern. Aktuell ist jedoch unklar, inwiefern strukturiertes Ausdauertraining auch bei Patient*innen im höheren Lebensalter wirksam ist. Die vorliegende Studie untersucht die Durchführbarkeit und die Effekte eines strukturierten Ausdauertrainings auf die depressive Symptomatik betroffener Patient*innen in der Gerontopsychiatrie.
Methode:
Es wurde eine monozentrische randomisierte kontrollierte Studie in der LVR-Klinik Köln durchgeführt. Zusätzlich zu der Regelversorgung nahm die Interventionsgruppe (IG) an einem 2-wöchigen Ergometer-basierten Ausdauertraining teil, welches zweimal 20-minütige Trainingseinheiten an drei Tagen der Woche umfasste. Die Kontrollgruppe (KG) erhielt ein zusätzliches alternatives Trainingsprogramm. Effekte auf die depressive Symptomatik wurden mittels Clinical Global Impression of Change Skala (CGI), Beck Depressions Inventar (BDI II) und Hamilton-Rating-Skala (HAMD) erfasst.
Ergebnisse:
Zum aktuellen Zeitpunkt haben 74 (87%) von 85 eingeschlossenen Patient*innen (Durch-schnittsalter: 76 Jahre, Median BDI II-Score: 24, Median HAMD-Score: 24) die Studie erfolgreich abgeschlossen. Die Zwischenanalyse des CGI zeigte eine verbesserte depressive Symptomatik in der IG (n=45; Median CGI-Score: 2) im Vergleich zur KG (n=40, Median CGI-Score: 3). Eine weiterführende Analyse der Projektergebnisse wird in dem Vortrag präsentiert.
Zusammenfassung:
Die ersten vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein strukturiertes Ausdauertraining die depressive Symptomatik von Patient*innen in der Gerontopsychiatrie verbessern kann. Die Behandlung von Depressionen erfordert neue kosteneffiziente Ansätze, insbesondere in der stationären gerontopsychiatrischen Behandlung. Die Durchführung eines strukturierten Ausdauertrainings verspricht ein innovativer, effektiver und kostengünstiger Behandlungsansatz in der Akutversorgung zu sein.
18:21 Uhr
Exergaming in der Gerontopsychiatrie: aktuelle Ansätze und Befunde zur Behandlung affektiver Störungen mittels motorisch-kognitiven Trainings
T. Melcher (Basel, CH)
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Autor:innen:
T. Melcher (Basel, CH)
A. Nienaber (Basel, CH)
U. Lang (Basel, CH)
C. Linnemann (Basel, CH)
Der Begriff «Exergaming» bezeichnet eine Verbindung von Videospiel mit körperlicher Aktivität, die über Sensortechnik das virtuelle Geschehen steuert. Je nach Spiel stellen Exergames unterschiedliche körperliche Anforderungen an Kraft, Kondition, Bewegungskoordination und Gleichgewicht. Gleichzeitig werden variable kognitive Anforderungen z.B. an die Aufmerksamkeitsselektion, Inhibition, kognitive Flexibilität oder auch räumliche Orientierung gestellt. Auf diese Weise hat das Exergaming als motorisch-kognitives Training grosses Potential modulierend auf altersbezogene Abbauprozesse einzuwirken, Selbstsicherheit zu vermitteln und damit auch die affektiven Belastungen des Alter(n)s zu reduzieren. Im Vortrag werden Anwendungen des Exergamings speziell im Kontext der Behandlung affektiver Erkrankungen im höheren Lebensalter vorgestellt und diskutiert. Eine «Gamification» der Therapie älterer Menschen hat bislang insbesondere im Bereich der neurokognitiven Störungen sowie in der Rehabilitationsmedizin stattgefunden, mit einer weit verbreiteten Anwendung handelsüblicher Spielkonsolen wie z.B. der Nintendo Wii. Daneben existieren mittlerweile speziell für die Behandlung älterer Menschen entwickelte Medizingeräte, die ein gezieltes Training spezifischer Leistungs-/Funktionsbereiche erlauben. Zur Veranschaulichung erfolgt die Vorstellung des Gerätes «Dividat Senso» sowie einer pilotierenden Wirksamkeitsstudie zu dessen Anwendung bei älteren depressiven Patient*innen. Demgegenüber werden Daten einer randomisiert-kontrollierten Wirksamkeitsstudie der Nintendo Wii Sports bei stationären Patient*innen mit depressiven Erkrankungen vorgestellt, die den Einfluss auf kognitive, klinische Befindlichkeits- und motorische Masse untersucht. Zusammenfassend erfolgt eine bewertende Diskussion der Einsatzmöglichkeiten des Exergamings in der Behandlung der Altersdepression, in der auch relevante Kontextfaktoren wie die Intensität und der soziale Kontext des Trainings berücksichtigt werden.