Frauen haben ein hohes Risiko für psychische Erkrankungen, das neben biologischen Faktoren, die bisher nur unzureichend verstanden sind, auch durch zahlreiche psychosoziale Bedingungen wie niedrigen sozioökonomischen Status, Verantwortung für Angehörige und Unterdrückung und insbesondere Gewalterfahrung mit bedingt ist. Denn statistische Daten zeigen, dass jede dritte Frau in Deutschland von sexueller und / oder körperlicher Gewalt betroffen ist. Jede vierte Frau erlebt sexuelle und / oder körperliche Gewalt in der Partnerschaft. 42% der Frauen sind psychischer Gewalt ausgesetzt. Nur 20% nutzen die bestehenden Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen. Beschrieben wird zudem, dass die Gewalt intensiver und häufiger ist, wenn die Frau schwanger ist oder kleine Kinder hat.
Das Symposium möchte dazu beitragen, dass die Folgen der Gewalterfahrungen besser erfasst und verstanden werden sowie die Behandlungsmaßnahmen verbessert werden.
Die erste Rednerin wird der Frage „Gewalt privat und in der Arbeit – was macht „othering“ mit uns?“ nachgehen, die zweite Rednerin wird sich der Frage stellen „Gewalt und ihre Folgen – wie können Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund gestärkt werden?“. Die dritte Rednerin wird das Thema „Mütter mit Gewalterfahrung – Compliance und Therapieerfolg in der Peripartalsprechstunde – werden ihre Bedarfe adressiert?“ fokussieren, während die letzte Rednerin das Thema „Umgang mit Stigmatisierung bei Betroffenen von Partnerschaftsgewalt“ aufgreifen wird.
Alle Präsentationen werden mit dem Plenum diskutiert.
15:30 Uhr
Gewalt privat und in der Arbeit – was macht „othering“ mit uns?
H. Siller (Klagenfurt, AT)
Details anzeigen
Autor:in:
H. Siller (Klagenfurt, AT)
Gewalt gegen Frauen ist ein globales und universelles Problem, und umfasst verschiedene Bereiche, wie unter anderem häusliche Gewalt und intime Partnergewalt. Diese können beispielsweise Frauen* aus diversen Berufsgruppen, verschiedenen Alters und sozioökonomischer Hintergründe betreffen. Im Gesundheitswesen Tätige sind eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene/Opfer/Überlebende von Gewalt wie häuslicher oder intimer Partnergewalt. Dennoch sind auch Personen in medizinischen und Gesundheitsberufen von eigener Betroffenheit nicht ausgenommen.
In dem Vortrag wird auf den Forschungsstand zu Gewalterfahrungen, insbesondere häusliche und intime Partnergewalt, bei Personen in Gesundheitsberufen eingegangen. Neben Prävalenz von Gewalterfahrungen, werden auch Auswirkungen auf die Person selbst sowie auf die Arbeit diskutiert. Weiters zeigen Studien auch, dass eigene Gewalterfahrungen sowohl als hindernd, aber auch als unterstützend beschrieben werden in der Betreuung oder Identifikation von Gewalterfahrungen bei Klient*innen/Patient*innen. Diese Ergebnisse aus der Literatur werden mit dem Konzept von „Othering“ in Bezug gesetzt, und wie sich dieses sowohl auf die Forschung zu Gewalt gegen Frauen, als auch auf Empfehlungen für die Praxis auswirken kann. Soziale Herrschaft und Machtstrukturen sind Aspekte in der Definition von Othering; Othering kann zudem Ungleichheiten verstärken. Dabei zeigt sich unter anderem, dass ein intersektionales Verständnis von Othering, sowie auch von Gewalt, wichtig ist, um das Konzept bzw. die Konzepte in ihrem Umfang zu begreifen.
Gewalterfahrungen sind nicht nur ein Thema, welches „die Anderen“ wie Klient*innen oder Patient*innen betrifft, sondern muss auch in seinen Auswirkungen auf Personen in Gesundheitsberufen gesehen werden.
16:14 Uhr
Mütter mit Gewalterfahrung – Compliance und Therapieerfolg in der Peripartalsprechstunde – werden ihre Bedarfe adressiert?
E. Döring-Brandl (Berlin, DE)
Details anzeigen
Autor:in:
E. Döring-Brandl (Berlin, DE)
Frauen mit psychischen Erkrankungen mit Kinderwunsch, in der Schwangerschaft oder in der Postpartalzeit können verschiedenen psychosozialen Belastungen unterliegen, die sowohl die Symptomatik als die Inanspruchnahme von Behandlungsangeboten sowie das Ansprechen auf die jeweilige Behandlung erheblich beeinflussen können. Insbesondere Gewalterfahrungen in der Vergangenheit oder im aktuellen häuslichen Umfeld können eine erhebliche Belastung für die Frauen darstellen. Gleichzeitig tragen Gewalterfahrungen der Mutter auch dazu bei, dass für Kinder der Betroffenen ein erhöhtes Risiko besteht, ebenfalls Gewalt zu erleiden. Daher ist es in der psychiatrischen Behandlung von psychisch erkrankten Müttern von großer Relevanz für Mutter und Kind, auch Gewalterfahrung mit zu adressieren und geeignete Unterstützungsangebote zu machen. Im Vortrag werden Daten zu Gewalterfahrungen bei Müttern, die die Sprechstunde für psychisch erkrankte Eltern an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité in den Jahren 2017-2022 in Anspruch genommen haben, vorgestellt. Die Sprechstunde stellt ein niedrigschwelliges Beratungs- und Behandlungsangebot dar und wurde in diesem Zeitraum von über 350 Personen in Anspruch genommen. Anhand von statistischen Auswertungen der Daten aus der Sprechstunde sowie der Vorstellung einzelner Fallbeispiele werden Gewalterfahrungen, deren Rolle in der Inanpruchnahme einer Behandlung, mögliche Hürden zur Inanspruchnahme eines psychiatrischen Angebots für Mütter mit Gewalterfahrungen sowie Unterstützung für die Betroffenen diskutiert.
16:36 Uhr
Umgang mit Stigmatisierung bei Betroffenen von Partnerschaftsgewalt
A. Kersting (Leipzig, DE)
Details anzeigen
Autor:in:
A. Kersting (Leipzig, DE)
Abstract zur Einreichung beim DGPPN-Kongress 2023
Partnerschaftsgewalt und Stigmatisierungserfahrungen von Betroffenen
Anette Kersting1, Julia Treml1, Julia Deller1
1 Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Leipzig
Das Erleben von Gewalt in Partnerschaften stellt ein ernstzunehmendes und globales Gesundheitsrisiko, vor allem für Frauen, dar. Einer aktuellen Meta-Analyse zufolge erlebt weltweit ca. jede 4. Frau im Alter von 15-49 Jahren physische und/oder sexuelle Gewalt durch einen Partner. Auch psychologische und ökonomische Gewalt, sowie kontrollierendes Verhalten werden jedoch aufgrund ihrer massiven Auswirkungen auf das psychische Befinden als Formen von Partnerschaftsgewalt anerkannt. Demnach kann von einer deutlich höheren Prävalenz ausgegangen werden. Betroffen sind nicht nur Frauen, sondern Personen aller Geschlechtsidentitäten und sexueller Orientierungen. Auch in Deutschland sind aktuellen Schätzungen zufolge sowohl Frauen als auch Männer stark von Gewalt betroffen.
Viele der Betroffenen leiden unter einer Vielzahl psychischer Symptome und Störungen, wie bspw. Depressionen und traumatischem Stress. Häufig berichten sie zudem von Schuld- und Schamgefühlen infolge der erlebten Gewalt. Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Emotionen eng in Verbindung mit erlebter Stigmatisierung Betroffener stehen.
Der Einfluss von Stigmatisierungserfahrungen als Risikofaktor für das psychische Befinden und das Hilfesuchverhalten wurde in anderen Kontexten bereits vielfach belegt (z.B. bei AIDS-Erkrankungen). In Bezug auf die spezifische Stigmatisierung, die Betroffene von Partnerschaftsgewalt erleben, liegen aktuell nur wenige, überwiegend qualitative Studien vor.
Der Vortrag gibt, basierend auf einer aktuellen Literatursuche, einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen Partnerschaftsgewalt und Stigmatisierungserfahrung.