13:30 Uhr
Patient:innen mit akuter Psychose wollen keine Behandlung? Behandlungsprioritäten von Patient:innen und Behandler:innen auf Akutstationen und offenen Stationen im Vergleich
R. Fischer (Hamburg, DE)
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Autor:innen:
R. Fischer (Hamburg, DE)
S. Moritz (Hamburg, DE)
J. Scheunemann (Hamburg, DE)
M. Nagel (Hamburg, DE)
D. Schöttle (Hamburg, DE)
D. Lüdecke (Hamburg, DE)
Hintergrund:
Patient:innen mit Psychose stellen den größten Anteil von Patient:innen auf geschlossenen Akutstationen dar. Da sie oft nur geringe Krankheitseinsicht sowie Medikationsadhärenz zeigen, wird oft implizit angenommen, dass diese Klientel die (psychiatrische) Behandlung grundsätzlich ablehnt.
Methode:
Insgesamt 142 Patient:innen mit Psychose, von denen zum Erhebungszeitpunkt 74 auf einer offenen und 68 auf einer geschlossenen Station in Behandlung waren, beantworteten Fragen zu ihrer aktuell vorliegenden Symptomatik, deren subjektiven Behandlungsbedürftigkeit und ihren Behandlungswünschen. Analog dazu beurteilten 29 Stationsmitarbeitende, davon 13 auf einer offenen und 16 auf einer geschlossenen Station ebenfalls die Behandlungsbedürftigkeit von Symptomen und die Behandlungswünsche von Patient:innen in ihrem jeweiligen Setting allgemein.
Ergebnisse:
Alle Patient:innen berichteten mindestens ein Symptom zu erleben, das sie auch als behandlungsbedürftig einschätzten. Während Mitarbeitende der Behandlung von Positivsymptomatik die höchste Priorität beimaßen, gaben Patient:innen depressive und neurokognitive Symptome mit größtem Behandlungsbedarf an.
Diskussion/Schlussfolgerung:
Patient:innen mit Psychose, auch diejenigen in einer akuten Episode, erkennen die Behandlungsbedürftigkeit einiger ihrer Symptome an. Für die Therapie wird geraten, dass Behandler:innen über die Adressierung depressiver und/oder neurokognitiver Symptomatik eine therapeutische Beziehung aufbauen, bevor sie dann in einem späteren Schritt die Behandlung der Positivsymptomatik fortsetzen, welche für Patient:innen, insbesondere im Akutsetting, oft einen geringeren Stellenwert hat.
13:42 Uhr
Zentrale Schritte und Ergebnisse zur Entwicklung der Patientenbefragung für das Qualitätssicherungsverfahren Schizophrenie
A. Dingelstedt (Berlin, DE)
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Autor:innen:
K. Blatt (Berlin, DE)
A. Dingelstedt (Berlin, DE)
V. Andorfer (Berlin, DE)
L. Bade (Berlin, DE)
Im Qualitätssicherungsverfahren Schizophrenie, das 2016 vom G-BA beauftragt wurde, soll die Qualität der Versorgung auch im Rahmen einer Patientenbefragung, d. h. aus Sicht von Patientinnen und Patienten, erfasst werden. Es sollen dafür Patientinnen und Patienten befragt werden, die aufgrund einer Schizophrenie oder schizoaffektiven Störung behandelt wurden.
Die Entwicklung der Patientenbefragung umfasste zwei Phasen. In der explorativen Phase wurden die inhaltlichen Schwerpunkte auf Basis einer Literaturrecherche und Fokusgruppen/Einzelinterviews definiert. Die erarbeiteten Themenfelder wurden in Form von Qualitätsmerkmalen als Anforderungen an die Versorgungsqualität konkretisiert und im Rahmen eines Expertengremiums beratend diskutiert. In der Phase der Fragebogenentwicklung wurden die Qualitätsmerkmale durch Fragebogenitems über einen faktenorientierten Befragungsansatz operationalisiert. Es wurden 3 Fragebogenversionen entwickelt, die verschiedene Behandlungskontexte fokussieren: die Behandlung in einer Praxis, einer PIA oder im Rahmen eines vollstationären Aufenthalts. Im Anschluss erfolgte eine zweistufige Pretestung zur Validierung der Fragebögen. Zuerst wurde ein kognitiver Pretest (Einzelinterviews mit Patientinnen und Patienten) und danach ein Standard-Pretest (Messung der messtheoretischen Eigenschaften der Fragebögen) durchgeführt. Abschließend wurden die Qualitätsindikatoren (QI) der Patientenbefragung auf Grundlage der validierten Fragebögen und im Rückgriff auf die zuvor definierten Qualitätsmerkmale finalisiert.
Die entwickelten Fragebögen adressieren übergeordnete Qualitätsthemen wie bspw. „Information und Aufklärung“, „Interaktion und Kommunikation mit der Patientin/dem Patienten“ und „Beteiligung der Patientin/des Patienten an der Behandlungsplanung und Entscheidungen“. Die Ergebnisse der Pretestung verwiesen auf verständliche und gut zu beantwortende Fragebögen. Auf Basis der Fragebögen wurden 13 Prozess-QI und 1 Ergebnis-QI definiert.
13:54 Uhr
Der Zusammenhang zwischen Schizophrenie, reduzierter körperlicher Fitness und dem Belohnungssystem
O. Grimm (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:innen:
O. Grimm (Frankfurt am Main, DE)
L. Hamzehpour (Frankfurt Am Main, DE)
Patienten mit Schizophrenie zeigen oft eine eingeschränkte körperliche Gesundheit mit beeinträchtigter Lebensqualität. Die neuronalen Zusammenhänge zwischen körperlicher Komorbidität und der Psychopathologie sind noch unverstanden. Es ist bekannt, dass bei Schizophrenie die Belohnungsverarbeitung beeinträchtigt ist. Da das Belohnungssystem auch an der Regulation von körperlicher Aktivität und Nahrungsaufnahme beteiligt ist, vermuten wir, dass eine veränderte Belohnungsverarbeitung der Psychopathologie und verminderten körperlichen Fitness zugrunde liegt. Im Rahmen eines DFG-Projektes führten wir daher ein fMRT-Belohnungsantizipations-Paradigma durch, um die Belohnungserwartung bei Patienten mit Schizophrenie und Kontrollpersonen zu messen. Die Psychopathologie wurde mittels Fragebögen und Interviews erfasst. Ein Fitnesstest wurde durchgeführt, um die maximale Sauerstoffkapazität, Muskelkraft, Gesamtkörperfettanteil und BMI zu messen. Im Gruppenvergleich zeigten die Patienten während der Erwartungsbedingung eine verminderte Aktivität in der linken anterioren Insula und im Kleinhirn. Eine verminderte Aktivität während der Belohnungserwartung korrelierte mit der Schwere der Symptome und einer schlechteren körperlichen Verfassung, während eine erhöhte Aktivität bei Patienten mit schlechterer körperlicher Verfassung assoziiert war. Unsere Ergebnisse zeigen den Zusammenhang zwischen Psychopathologie und verminderter körperlicher Fitness bei Schizophrenie. Die beobachtete verminderte Aktivität in den Kleinhirnregionen unterstützt aktuelle Studien, die die Funktion des Kleinhirns in der Belohnungsverarbeitung diskutieren. Unsere Studie unterstreicht nicht nur die Rolle des Belohnungssystems für die körperliche Fitness bei Schizophrenie, sondern deutet auch auf das Kleinhirn als mögliche Zielstruktur für interventionelle Studien hin.
14:06 Uhr
Auswirkungen affektiver und psychotischer Erkrankungen auf Arbeits- und Beziehungsstatus: eine longitudinale Beobachtung
F. Senner (München, DE)
S. Greiner (Augsburg, DE)
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Autor:innen:
F. Senner (München, DE)
L. Kerkhoff (DE)
K. Adorjan (DE)
A. Hasan (DE)
P. Falkai (DE)
M. Lauseker (DE)
T. Schulze (DE)
U. Heilbronner (DE)
S. Greiner (Augsburg, DE)
Background Employment and relationship status are major indicators for social integration and rank among the most desired goals by patients. Both can negatively affect patients with schizophrenia, bipolar disorder, and depression. This study aimed to determine whether patients from the affective to psychotic spectrum remain in their state of employment and relationship during the course of their illness and whether transitions were based on the diagnostic subgroup or the functional level.
Methods The sample comprised 1260 patients with affective-to-psychotic-spectrum disorders and 441 healthy controls (age [mean±SD] 39.91 ± 12.65 years; 48.9% female) from the PsyCourse Study. We performed a multistate model (Markov model) for analyzing employment and relationship status changes, focusing on transition intensities. Each series of multistate models contains multiple models that have been adjusted for age, sex, job or partner, diagnostic group, and GAF in different combinations to separate and analyze the impact on hazard ratio (HR) of each covariate.
Results The control group has a lower hazard to lose a partner (HR 0.41, p < 0.001) and a job (HR 0.24, p < 0.001) compared to the clinical group (corrected for age and sex). The control group shows a lower hazard to lose a partner/job compared to the affective group (HR 2.69, p = 0.003/HR 3.43, p < 0.001) and the psychotic group (HR 3.06, p = 0.001/HR 4.11, p < 0.001). Correcting the model for GAF, the effect of losing a partner and job decreased in both the affective and psychotic group vs. the control group.
Conclusion We found that patients diagnosed with an affective or psychotic disorder are at risk of losing their job and partners compared to the healthy control group. Partially this is mediated by the specific disorder and the functional level. These findings undermine the societal responsibility to support patients in their functional limitations and empower them to achieve their goals.
14:18 Uhr
Natural Language Processing – Modellierung formaler Denkstörungen in der Schizophrenie
S. Just (Berlin, DE)
I. Nenchev (Berlin, DE)
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Autor:innen:
S. Just (Berlin, DE)
I. Nenchev (Berlin, DE)
In diesem Vortrag präsentieren wir Ergebnisse aus aktuellen Forschungsprojekten, die die Spontansprache von Menschen mit schizophrenen Psychosen mithilfe von Methoden aus dem Natural Language Processing untersucht haben. Dies ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz, der seit der Vorstellung von Chat-GPT nicht nur eine sehr breite Anwendung findet, sondern auch eine gesellschaftliche Diskussion anregt. Allerdings wurden Methoden der maschinellen Sprachverarbeitung bereits in den 70er Jahren entwickelt und finden mittlerweile auch zunehmend Anwendung in der psychiatrischen Forschung. Da Patient:innen mit schizophrenen Psychosen periodisch auftretende Veränderungen in der Sprachproduktion zeigen, die mit der Dynamik und Akuität der Erkrankung in Zusammenhang stehen, hat Natural Language Processing das Potenzial, Lösungen für ein umfangreiches Problem in der Diagnostik und individualisierten Therapie psychotischer Erkrankungen zu liefern. Damit können objektivierbare linguistische Marker identifiziert werden, die die Erforschung von formalen Denkstörungen bereichern und die Versorgung von Patient:innen verbessern können. In dem Vortrag werden wir gezielt darstellen, wie man formale Denkstörungen mithilfe künstlicher Intelligenz modellieren kann. Wir stellen Ergebnisse aus unseren aktuellen Studien zum Thema vor und gehen dabei auf die Validierung der Methoden ein. Ein Schwerpunkt unserer Analysen liegt auf der Modellierung semantischer Kohärenz, die aufgrund assoziativer Lockerungen in der formalen Denkstörung bei vielen Patient:innen mit einer Schizophrenie abnimmt – bis zur schon von Kraepelin beschriebenen „Schizophasie“. Unter anderem zeigen wir, wie auf Grundlage automatisierter Kohärenzmaße zwischen Patient:innen unterschiedlicher Krankheitsschwere und gesunden Kontrollpersonen unterschieden werden kann. Da die Methoden aus dem Natural Language Processing auch Risiken in der Anwendung bergen, werden wir zum Schluss auch ethische Aspekte diskutieren.