Zielgruppe:
Kolleginnen und Kollegen, sich für aktuelle Entwicklungen und Probleme der Tumorschmerztherapie interessieren.
Ziele:
Tumorschmerztherapie erscheint auf den ersten Blick einfach und in jeder Situation umsetzbar. Bei einer nachweislich hohen Rate schmerztherapeutisch unterversorgter Patienten mit Tumorschmerz stellt sich die Frage nach Effektivität und Sicherheit evidenzgesicherter Therapieverfahren. So ist auch eine "lege artis" durchgeführte Opioidtherapie nicht immer unproblematisch. Die Rolle invasiver Verfahren wird zunehmend in Frage gestellt. Auch die Definition "der" Tumorschmerztherapie vor der Therapie chronifizierter Schmerzerkrankungen oder der palliativen Versorgung bleibt unklar, mit negativen Konsequenzen für die Behandlung solcher Patienten. Erschwert wird die Versorgung durch verunsichernde und missinterpretierte Publikationen scheinbarer tumorheilender Wirkungen bestimmter Opioide. Ebenso stellt Sucht ein Tabuthema bei Tumorschmerz dar.
In diesem Symposium sollen diese Entwicklungen, die Wertigkeit und Evidenzlage der schmerzmedizinischen Behandlungsoptionen behandelt werden, aber ebenso praktische Lösungsvorschläge angeboten werden
17:00 Uhr
Methadon zur onkologischen Tumortherapie – wie präklinische Forschungsergebnisse missinterpretiert werden können
H. Hofbauer (Ulm, DE)
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Autor:in:
H. Hofbauer (Ulm, DE)
In Medienberichten, z.B. des Bayerischen Rundfunks und der Tagesschau24, wurde mehrfach darüber berichtet, dass das Opioid Methadon bzw. D,L-Methadon die Wirkung einer onkologischen Chemotherapie verstärke. Insbesondere bei bislang therapieresistenten Tumorleiden sei eine Verbesserung des Ansprechens auf die onkologische Therapie festzustellen. Ebenso finden sich im Internet Diskussionen und Berichte zu diesen Meldungen. Dies erweckt den fälschlichen Eindruck, dass Methadon einen positiven Einfluss insbesondere auf bisher therapieresistente Tumorleiden habe, z.B. bei Gliomen und Leukämieerkrankungen. Folge dieser missverständlichen Berichterstattung ist eine zunehmende Anzahl von Patientenanfragen hinsichtlich eines Einsatzes von Methadon als onkologische Therapiemaßnahme, nicht aber zur Schmerztherapie.
Grundlage der Berichterstattung sind unter anderem Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Frau Dr. Friesen vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Ulm. Diese konnte unter in vitro – Bedingungen und im tierexperimentellen Setting durch Methadon einerseits eine direkte Apoptoseinduktion in Tumorzellen nachweisen: Über Opioidrezeptoren induzieren inhibitorische Gi-Proteine eine Reduktion des cyclischen AMP, was über Caspase-Aktivierung zum Zelltod von Leukämiezellen führt. Andererseits scheint auch eine methadonbedingte Sensitivierung von Tumorzellen gegenüber dem Zytostatikum Doxorubicin über den cAMP-Mechanismus beteiligt zu sein. Die Untersuchungen wurden an etablierten Leukämie- und Gliomzelllinien und an Nackt- und SCID – Mäusen durchgeführt. Dabei handelt es sich um rein experimentelle Behandlungsansätze.
Generell muss festgehalten werden, dass durch die diskutierte unkritische Darstellung falsche Hoffnungen bei Patienten und Therapeuten geweckt werden können, die mit den vorliegenden wissenschaftlichen Daten nicht belegt werden können. Denkbar ist, dass durch solche Fehlinformationen Patienten eine etablierte und wissenschaftlich belegte Therapie ablehnen, um stattdessen mit Methadon behandelt zu werden.
17:30 Uhr
Minimalinvasive Verfahren bei Tumorschmerz - aussterbende Spezies?
K. Kieselbach (Freiburg)
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Autor:in:
K. Kieselbach (Freiburg)
Minimalinvasive Verfahren werden zunehmend seltener angewendet. Dies birgt die Gefahr, dass Patienten, die mit dem gängigen WHO-Stufenschema nicht ausreichend behandelbar sind, auf diese Therapieoption verzichten müssen. In diesem Workshopbeitrag sollen die Möglichkeiten minimalinvasiver Verfahren vorgestellt werden. Dabei kommen regionalanästhesiologische Methoden in Betracht, wie die verschiedenen Techniken der Neuromodulation. Die Wertigkeit und praktische Anwendbarkeit werden vom klinisch-praktischen Standpunkt aus diskutiert.
18:00 Uhr
Hypersensitivierungsmechanismen bei Tumorschmerz – Bedeutung für Chronifizierung?
S. Wirz (Bad Honnef, DE)
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Autor:in:
S. Wirz (Bad Honnef, DE)
Das Zustandekommen neuropathischer Schmerzen ist für Tumorpatienten äußerst belastend und stellt die Behandelnden regelmäßig vor Herausforderungen. Es liegen ausreichend Empfehlungen und Leitlinien, die eine mechanismenorientierte Vorgehensweise propagieren. Es ist allerdings notwendig, eine Re-Evaluation vorzunehmen, denn als Konsequenz aus den Ergebnissen der Daten der letzten Jahre könnte sich eine Modifikation des Begriffes des neuropathischen Schmerzes ergeben. Bisher als typisch neuropathisch bezeichnete Schmerzsymptome, wie der Allodynie, erfahren aktuell eine Differenzierung und Neubewertung. Die Frage, ob die Nomenklatur um den Begriff der Hypersensitivität auch im Bereich der Tumorschmerztherapie erweitert werden sollte, ist in diesem Zusammenhang auf seine klinische Relevanz sowohl in Diagnostik als auch Therapie zu prüfen. Es ergeben sich dabei Neubewertungen einer Rationale hinsichtlich des analgetischen Einsatzes von antihypersensitivierenden Substanzen. Diese Punkte werden in diesem Symposium auf ihre wissenschaftliche Grundlagen und Praktikabilität an Hand aktueller Daten evaluiert.
18:30 Uhr
Sucht und Tumorschmerz - ein Tabu?
M. Schenk (Berlin-Weißensee, DE)
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Autor:in:
M. Schenk (Berlin-Weißensee, DE)
Eine Publikation aus 2001 zeigte eine deutliche Zunahme der Verschreibungsmengen von Opioiden bei einzelnen Patienten im Verlauf der Tumorerkrankung. Gleichzeitig weist er auf die Angst vor einer möglichen Suchtentwicklung als Hemmschuh einer suffizienten Versorgung von Tumorschmerzpatienten hin. Damals wurde nur ein geringer Anteil der Tumorpatienten mit Opioiden der Stufe III nach WHO versorgt.
Vor dem Hintergrund zunehmender Überlebenszeiten bei onkologischen Patienten und einer Optimierung der Opioidverschreibung sind Langzeittherapien von Opioiden gleichermaßen häufiger geworden. Damit treten Phänomene wie Toleranzentwicklung, Dosissteigerung, Abhängigkeitsphänome und Opioidfehlgebrauch bei Tumorschmerzpatienten immer häufiger auf. Andererseits sind Patienten mit der Anamnese eines Substanzfehlgebrauchs regelmäßig analgetisch unterversorgt. Eine differenzierte Evaluation von Risikofaktoren vor Beginn einer Opioidtherapie und das Instrument eines Patientenvertrages sind empfehlenswert.
Von Fehlgebrauch ist das Zustandekommen einer „Hochdosis“-Opioidtherapie abzugrenzen, ebenso wie der Befund einer schmerzmedizinischen Fehldiagnose. Dies trifft z.B. bei einem nicht erkannten neuropathischem Schmerz ohne Opioidsensibilität zu. Hier sollte selbstverständlich eine klassische antineuropathische Medikation bestehend aus Antikonvulsiva und Antidepressiva eingeleitet werden. Die chemotherapieinduzierte Neuropathie ist erst in den vergangenen Jahren als Problem von Tumorpatienten erkannt worden. Eine Veröffentlichung im Journal of Pain and Symptom Management aus dem Jahre 2006 zeigte eine Korrelation zwischen kurzer Überlebenzeit und dem Vorliegen einer Hochdosistherapie mit Opioiden auf, andererseits bestand eine hohe Variation der Überlebenszeit, woraus die Autoren auf eine Minderversorgung einiger Patienten schlossen.
Bei der Toleranzentwicklung gegenüber Opioiden lassen sich komplexe Mechanismen darstellen, wie z.B. Adaptationsmechanismen, Rezeptordesensibilisierung mit verminderter Opioidansprechbarkeit, Internalisierung oder Bildung von dem pronozizeptiven NO. Intrazelluläre Mechanismen involvieren die Phospholipase C oder Proteinkinase C mit Modulation des NMDA-Rezeptors. Therapeutisch kann das Prinzip der multimodalen Analgesie und der Opioidrotation angewandt werden.