Der Körper verfügt über verschiedene Systeme der körpereigenen Schmerzkontrolle, die unter anderem in lebensbedrohlichen Situationen aktiviert werden, um Flucht oder Verteidigung in unbeeinträchtigter Weise zu ermöglichen. Aber auch im Alltag sind diese Systeme aktiv und entscheiden darüber, wie viel vom eingehenden nozizeptiven Zustrom tatsächlich das Gehirn erreicht und/oder als Schmerz wahrgenommen wird. Dies hat auch klinische Bedeutung, z.B. zeigen Menschen mit chronischen Schmerzen eine defiziente endogene Schmerzhemmung und/oder eine aktive endogene Schmerzverstärkung. In Zusammenhang damit oder auch darüber hinaus scheint das nozizeptive System im Verlauf chronischer Schmerzerkrankungen eine gewisse Dynamik zu haben, d.h. sich in Richtung Pro- oder Antinozizeption bewegen zu können.
Im ersten Vortrag wird Herr Cremer die verschiedenen Testverfahren zur Untersuchung der endogenen Schmerzhemmung und der Dynamik des nozizeptiven Systems beleuchten. Es gibt diverse Testverfahren zur Erfassung der endogenen Modulation: das bekannteste Verfahren der Operationalisierung der endogenen Schmerzkontrolle ist sicherlich die Messung des Conditioned Pain Modulation (CPM)-Effekts. Aber auch andere Verfahren wie Offset-Analgesie, non-noxious inhibitory control (NNIC), Habituation, Sensibilisierung oder Effekte auf den spinalen R3-Reflex können als Tests zur Erfassung der endogenen Schmerzmodulation verwendet werden. Diskutiert werden soll insbesondere die Vergleichbarkeit der Methoden untereinander.
Im zweiten Vortrag wird Frau PD Dr. Ruscheweyh die klinische Bedeutung der endogenen Schmerzhemmung beleuchten, insbesondere die Stärkung der endogenen Schmerzhemmung als therapeutischen Ansatzpunkt. Bei chronischen Schmerzpatienten findet sich regelmäßig eine Unterfunktion der endogenen Schmerzhemmung. Manche Studien legen nahe, dass diese vorbestehend ist und einen Risikofaktor für die Entwicklung einer chronischen Schmerzerkrankung darstellt, während andere Ergebnisse für eine Dysfunktion der endogenen Schmerzhemmung als Folge der chronischen Schmerzerkrankung sprechen. Es gibt verschiedene Ansätze zur Stärkung der endogenen Schmerzhemmung (Verhaltenstherapie, Biofeedback, Medikamente mit serotonergem/noradrenergem Ansatz). Erste Ergebnisse zeigen, dass eine klinische Schmerzbesserung durch diese Verfahren tatsächlich direkt mit einer Verbesserung der endogenen Schmerzhemmung in Zusammenhang steht. Erkenntnisse über die (Patho-) Physiologie der endogenen Schmerzmodulation können so zu einer besseren Behandlung von Schmerzpatienten beitragen.
Im dritten Vortrag wird Frau PD Dr. Gierthmühlen klinische Beispiele verschiedener Schmerzerkrankungen diskutieren, die die Dynamik des nozizeptiven Systems zwischen Pro- und Antinozizeption und deren Bedeutung für die Therapie veranschaulichen. So zeigen Patienten mit CRPS im klinischen Verlauf trotz klinischer Besserung und Besserung der Schmerzintensität eine Ausbreitung somatosensorischer Symptome auf die kontralaterale Seite sowie Parameter der zentralen Sensibilisierung auf der betroffenen und nicht-betroffenen Körperseite. Patienten mit postherpetischer Neuralgie und Deafferenzierung können auch noch nach langem Krankheitsverlauf eine Funktionsverbesserung der Detektionsschwellen zeigen, so dass sie dann wiederum auch auf eine topische Therapie ansprechen können. Ursachen und mögliche Ansatzpunkte der Dynamik des nozizeptiven Systems für die Therapie sollen diskutiert werden.