11:00 Uhr
Kleinräumige Analyse und Planung als Beitrag für eine bedarfsgerechte medizinisch-pflegerische Versorgung
B. Wollenberg (Marburg, DE)
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Autor:in:
B. Wollenberg (Marburg, DE)
Vorgehensweise
Die Sicherstellung der medizinisch-pflegerischen Versorgung zeigt sich insbesondere im ländlichen Raum als immer größere Herausforderung. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf hat daher im Jahr 2018 das vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration geförderte Modellprojekt „Fachkräftesicherung in der medizinisch-pflegerischen Versorgung im ländlichen Raum“ als Teil der Initiative „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ gestartet.
Basis für das Projekt war eine Kooperationsvereinbarung für die Umsetzung des Sicherstellungsauftrages der ambulanten ärztlichen Versorgung („Letter of intent“) mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen.
Ziel des Modellprojektes war die gemeinsame Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungsansätze für die Fachkräftesicherung im Bereich der Allgemeinmedizin, der Pflege und der Hebammen sowie die Erprobung der kommunalen Versorgungsplanung als Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD).
Als Modellregion wurde der Mittelbereich Biedenkopf gewählt, der zu diesem Zeitpunkt gemäß der ärztlichen Bedarfsplanung im Bereich der drohenden Unterversorgung lag. Hier wurde in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen eine kleinräumige Analyse durchgeführt, bei der zunächst Daten zusammengeführt und ausgewertet wurden (u.a. Bevölkerungsstruktur, Patient*innenströme). Anschließend wurde in leitfadengestützten Interviews mit wesentlichen Akteuren in diesem Bereich deren Einschätzung zur Versorgungslage sowie möglichen Handlungs- und Unterstützungsbedarfen erhoben.
Ergebnisse
Es zeigt sich, dass die Versorgungslage sich in einem bereits abgegrenzten Planungsbereich erheblich unterscheiden kann und daher für eine bedarfsgerechte Versorgungsplanung eine noch kleinräumigere Betrachtung notwendig ist. Die Ableitung entsprechender Handlungsempfehlungen sowie die jeweilige Konzeptentwicklung sind daher wesentlich von den vor Ort tätigen Akteuren aus dem Gesundheitsbereich abhängig.
Schlussfolgerung
Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat in ihrem Beschluss 2016 die Rolle des ÖGD als professionelles Netzwerk, das mit und in allen Gesundheitsbereichen einschließlich der Versorgung kooperativ und koordinierend tätig ist, gestärkt (89. GMK, 2016). Das Modellprojekt zeigt, dass die kommunale, kleinräumige Versorgungsplanung als Aufgabe des ÖGD ein geeignetes Instrument ist, um nachhaltig tragfähige, bedarfsgerechte Konzepte im medizinisch-pflegerischen Bereich zu entwickeln.
11:20 Uhr
Eine Landeshauptstadt auf dem Weg zu einer „Gesunden Kommune“ - Aufbau von Strukturen der Gesundheitsförderung unter Pandemiebedingungen: Ein Erfahrungsbericht
F. Alff (Erfurt, DE)
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Autor:in:
F. Alff (Erfurt, DE)
Der Beitrag zeigt die Gelingensfaktoren und Herausforderungen beim Aufbau einer integrierten Gesundheitsplanung und Etablierung von Strukturen der Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene am Beispiel der Landeshauptstadt Erfurt. Erfurt ist bereits 1991 als eine der ersten Städte dem Gesunde-Städte Netzwerk der Bundesrepublik beigetreten. Seitdem wurden schwerpunktmäßig nur einzelne Präventionsprojekte umgesetzt sowie die gesundheitsbezogene Selbsthilfe ausgestaltet. Im Jahr 2015 hat der Erfurter Stadtrat einen Beschluss zum Aufbau einer Erfurter Präventionskette verabschiedet und damit einen klaren Handlungsauftrag erteilt. Das Gesundheitsamt wird durch die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e.V. bei diesem Prozess begleitet. In den letzten 5 Jahren wurden ämterübergreifende Gremien gegründet, Berichte verfasst und Maßnahmenpläne erarbeitet. Das Handlungsfeld Gesundheit wurde überall aufgenommen. Im Jahr 2020 wurde im Gesundheitsamt eine Stabsstelle Gesundheitsplanung aufgebaut mit dem Ziel, planungsrelevante Fach- und Koordinierungsstellen zu bündeln. Erfurt hat eine Vielzahl an gesundheitlichen, sozialen und umweltbezogenen Akteuren. Es gibt fachübergreifende Netzwerke, Arbeitsgruppen und Gremien. Es existieren Quartiersansätze mit Quartiersmanagementstrukturen. Es gibt gesundheitsförderliche Angebote, Projekte und Maßnahmen. Erfurt beteiligt sich an diversen Förderprogrammen, um finanzielle und personelle Mittel für integrierte Planungsprozesse zu akquirieren (z.B. Förderangebot für den kommunalen Strukturaufbau des GKV-Bündnisses für Gesundheit). Für die nächsten Jahre wird es eine Hauptaufgabe sein von einem Nebeneinander zu einem Miteinander der gesundheitsfördernden Strukturen und Maßnahmen zu kommen und relevante Planungslücken zu schließen. Die Coronapandemie hat die aktuellen Public-Health-Herausforderungen wie ein Brennglas verstärkt. Die sozialen und indirekten Gesundheitsfolgen der Pandemie verlangen nach gesundheitsförderlichem Handeln - nicht in Zukunft, sondern im Jetzt. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass gut aufgebaute Kommunikations-, Kooperations- sowie Vernetzungsstrukturen ein wirksames und schnelles Handeln auch im Gesundheitsschutz ermöglichen - ein Selbstverständnis in der Gesundheitsförderung. Die größte Herausforderung bleibt dennoch bei weiterhin knappen Ressourcen in die Umsetzung zu kommen und nachhaltige Strukturen und Kontinuität zu gewährleisten, auch in Krisenzeiten.
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11:40 Uhr
Adhärenz, psychosoziale Folgen, Bewältigungsstrategien und Lebensstil von Kölner COVID-19-Patienten und ihren engen Kontaktpersonen im Rahmen einer behördlich angeordneten Quarantäne – erste Ergebnisse der CoCo-Fakt surveillance Studie, Köln
C. Joisten (Köln, DE)
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Autor:innen:
C. Joisten (Köln, DE)
B. Grüne (Köln, DE)
A. Fabrice (Köln, DE)
S. Feddern (Köln, DE)
A. Gehlhar (Köln, DE)
L. Klee (Köln, DE)
J. Nießen (Köln, DE)
M. Tappiser (Köln, DE)
S. Wessely (Köln, DE)
G. Wiesmüller (Köln, DE)
A. Kossow (Köln, DE)
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat das menschliche Leben erheblich eingeschränkt. Zur Bekämpfung der Ausbreitung wurden infizierte Personen (IP) und ihre engen Kontaktpersonen (KP) in Deutschland seit Februar/März 2020 isoliert bzw. unter Quarantäne gestellt. Im Rahmen des CoCo-Fakt-Surveys (Cologne-Corona-Beratung und Unterstützung Für Index- und KontAKt-Personen während der Quarantäne-ZeiT) wurde neben der Adhärenz bzgl. der Quarantäneregeln der Gesundheitszustand, die Symptomatik, psychische Belastung, Bewältigungsstrategien (Coping-Score) sowie der individuelle Lebensstil (u.a. körperliche Aktivität, Ernährung/Gewichtsentwicklung) erfasst.
Methodik:
Der online-basierte CoCo-Fakt-Survey wurde an alle durch das Kölner Gesundheitsamt registrierten IPs und KPs versendet (n=33699), die bis zum 9.12.20 in behördlich angeordnete Quarantäne gesetzt wurden. Ausgeschlossen wurden Personen unter 16 Jahre und ohne Mailadresse, hospitalisierte bzw. verstorbene Betroffene sowie Pflegeheim-Bewohner. Schwangere erhielten einen eigenen Fragebogen.
Ergebnisse:
Von 13.057 Personen wurden nach der Datenbereinigung 4.065 IPs (38,8%) bzw. 6.425 KPs (61,2%) in diese Auswertung integriert. Die Quarantänedauer lag bei 11.8+/-4.6 Tagen. 60% der Personen waren weiblich, der Altersdurchschnitt betrug 40.8+/-14.2 Jahre. 80.0% hatten einen hohen, 19.1% einen mittleren und 0.9% einen geringen Bildungsgrad; 5.4% hatten Migrationshintergrund. IPs gaben eine signifikant höhere psychische Belastung an als KPs, der Coping-Score unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen. Die meisten Teilnehmenden nutzten aktive Bewältigungsstrategien wie Kontakte mit dem sozialen Umfeld, eine positive Einstellung und Hobbys. Die körperliche Aktivität sank während der Quarantäne um 48,2% bei IPs und um 27,1% bei KPs. Personen, die während der Quarantäne aktiv waren, fühlten sich in dieser Zeit fitter, weniger müde und weniger erschöpft. Während der Quarantänezeit nahmen IPs 1,2+/-4.4 kg ab, KPs 1,6+/-4.1 kg zu. Als Gründe für eine Gewichtsänderung gaben die IPs v.a. Geschmacksverlust und Krankheitsgefühl an, Kontaktpersonen aßen eher aus Langeweile.
Fazit:
Die gesetzlich verordnete Quarantäne wirkt sich bei IPs sowie KPs in unterschiedlicher Weise auf die psychische Situation, aber auch den Lebensstil aus. Um neben Long-COVID auch weitere mögliche Langzeitfolgen zu vermeiden, sollte eine enge Betreuung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst bzw. anschließend in der Hausarztpraxis erfolgen.
12:00 Uhr
Sozialräumliche Analysen zu COVID 19 und sozialer Ungleichheit in Frankfurt: Auswertung der Falldaten von März 2020-April 2021
M. Schade (Frankfurt am Main, DE)
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Autor:innen:
M. Schade (Frankfurt am Main, DE)
M. Hillenbrand (Frankfurt am Main, DE)
F. Hössel (Frankfurt am Main, DE)
P. Tinnemann (Frankfurt am Main, DE)
Hintergrund
Sozial benachteiligte Menschen weisen ein höheres Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 auf und sind stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen (exempl. Wachtler et al. 2020). Die vorliegende Analyse hat zum Ziel, soziale Ungleichheiten in Bezug auf COVID 19 Inzidenz und Hospitalisierungsrate in Frankfurt sozialräumlich zu untersuchen.
Methodik
Meldedaten von März 2020-April 2021 mit gültiger Wohnadresse in Frankfurt wurden berücksichtigt. Die Adressen aller Fälle wurden geodatenreferenziert (ARG GIS Pro) und mit den Stadtteilen verschnitten. Die kumulative Inzidenz (pro 1000) im Stadtteil/Stadtbezirk wurde mittels Bezugsbevölkerung zum 31.12.2020 berechnet. Lineare Regressionen (IBM Statistics) wurden ermittelt, um mögliche Zusammenhänge zwischen kumulativer Inzidenz bzw. Hospitalisierungsrate und sozioökonomischen sowie kontextbezogenen Indikatoren (Daten amtliche Statistik) aufzuzeigen.
Ergebnisse
35.335 Fälle wurden für die Analyse berücksichtigt, davon waren 14,1% unter 20 Jahre und 16,9% 60 Jahre und älter. 51,2% waren männliche Personen. Die kumulative Inzidenz war in dem Stadtteil Nieder-Erlenbach (20 Fälle/ 1000) am geringsten und im Stadtteil Gutleutviertel (ca. 82 Fälle/ 1000) am höchsten. Kumulative Inzidenz bzw. Hospitalisierungsrate und Indikatoren der sozialen Lage zeigen lineare Zusammenhänge, tendenziell fällt die Inzidenz bzw. Hospitalisierung in den Stadtteilen mit schlechterer sozialer Lage höher aus.
Schlussfolgerung
Soziale Lage und Inzidenz bzw. Hospitalisierungsraten sind miteinander assoziiert. Für gezielte präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen, insbesondere in Stadtteilen und Stadtbezirken in denen benachteiligte Menschen leben, ist dieser Zusammenhang zu berücksichtigen.
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