2008 konkretisierte die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) die verschiedenen internationalen Vereinbarungen der Menschenrechte speziell für Menschen mit Behinderungen. Unterzeichnende Länder verpflichten sich seither zur Achtung der Selbstbestimmungsrechte, zur Gewährung von Partizipationsrechten und zum Schutz vor Diskriminierung auch für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Der Kampf um gleiche Menschen- und Bürgerrechte wurde bereits seit den 1970er Jahren von Netzwerken Psychiatrieerfahrener geführt und war eine wichtige Motivation für die Psychiatriereform, erst die übergreifende Zusammenarbeit von Menschen mit verschiedenen Behinderungen ermöglichte aber den umfassenden Ansatz der UN-BRK.
In diesem Symposium präsentieren wir drei Perspektiven auf die Umsetzung von Selbstbestimmungs- und Partizipationsrechten in der psychiatrischen Versorgung. Im ersten Beitrag berichtet Ulrich Reininghaus über eine partizipative Bedarfserfassung bei Angehörigen von Menschen mit psychischen Krankheiten. Im zweiten Beitrag berichten Ute Krämer und Julia Lippert von Handlungsempfehlungen, die von Anfang 2020 bis Ende 2021 im BMAS geförderten Projekt „Partizipativer Landschaftstrialog Psychiatrie und psychosoziale Versorgung“ mit 60 Teilnehmenden bundesweit erarbeitet wurden. Im dritten Beitrag schließlich stellt Georg Schomerus die Wahrung der Selbstbestimmungs- und Partizipationsrechte in der Psychiatrischen Versorgung in den Kontext der Haltungen der Allgemeinbevölkerung zu diesen Rechten.
Deutschland hat die UN-BRK 2009 ratifiziert. Es besteht erheblicher Handlungsbedarf, um die in der Konvention festgeschriebene Partizipation tatsächlich zu erreichen. Wir möchten das Symposium nutzen, um über sinnvolle Ansatzpunkte zur Verbesserung der Menschenrechtssituation von Menschen mit psychischen Krisen und Beeinträchtigungen zu diskutieren.
10:15 Uhr
Unerfüllte Bedarfe, Krankheits- und Recoverywahrnehmung bei Angehörigen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen: eine partizipative Bedarfserfassung
A. Schick (Mannheim, DE)
10:45 Uhr
Handlungsempfehlungen aus dem „Partizipativen Landschaftstrialog Psychiatrie und psychosoziale Versorgung“ für eine menschenrechtskonforme psychosoziale Unterstützungslandschaft
U. Krämer (Brandenburg, DE)
J. Lippert (Berlin, DE)
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Autor:innen:
U. Krämer (Brandenburg, DE)
J. Lippert (Berlin, DE)
Die Selbstvertretungsorganisation Kellerkinder e.V. Berlin führte 2020 und 2021 bundesweit das Projekt ‘‘Partizipativer Landschaftstrialog Psychiatrie und Psychosoziale Versorgung‘‘ durch.
Die drei Projektkoordinatorinnen sind selbst Menschen mit Psychiatrieerfahrungen, andere nennen sie psychisch erkrankt. Die UN-Behindertenrechtskonvention führt den Begriff der „Menschen mit psychosozialen Behinderungen“ ein. Das Projekt wurde durch den Partizipationsfonds des BMAS gefördert. Betroffene, Angehörige, professionell Tätige der psychiatrischen Versorgungslandschaft und MenschenrechtsexpertInnen nahmen an rund 40 Arbeitsgruppen, Symposien und Tagungen teil. Das Besondere des Projektes war der Vertrauensaufbau und das echte Zuhören, das sich in 2 Jahren entwickeln konnte. So vertieften sich im ‘‘Multilog‘‘ subjektive und kollektive Lernwege und es entstand gemeinsame Kreativität in großen menschenrechtlichen Anliegen. Durch die durchgehend praktizierte gleichberechtige Partizipation aller Beteiligten, erstellte sich ein Gesamtbild der Umsetzung der Menschenrechte in psychiatrisch-psychosozialen Kontexten und in der Gesellschaft allgemein. Dabei wurde deutlich, dass Menschen ihre psychischen Krisenlagen, als in den Strukturen der Versorgungslandschaft und in gesellschaftlichen Vorurteilen verwurzelt erleben. Betroffene wie Profis entwickelten gemeinsam Vorschläge für bspw. unterstützte Entscheidungsfindung oder angemessene Vorkehrungen in Bildung, Beruf, Wohnen, Arbeiten und Verbesserung von Partizipation im Alltag wie in politischen Prozessen. Unter dem Titel ‘‘Gleichberechtigte Partizipation‘‘ zeichnet der Abschlussbericht diverse Handlungsempfehlungen auf, die vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden.
11:15 Uhr
Partizipations- und Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit psychischen Krankheiten in den Augen der Öffentlichkeit: ein Scoping-Review
G. Schomerus (Leipzig, DE)